
Harsche Kritik des EU-Rechnungshof am PEPP
Frankfurt/Main, 10.06.2025. Immer wieder gibt es aus der Praxis sehr deutliche Hinweise an die EU, wenn geplante Gesetzesinitiativen an den Realitäten vorbeigehen und in der Priorisierung des Aktivitätenportfolios falsch angesiedelt sind. Und ebenso oft ignoriert die EU-Kommission solche Hinweise und muss dann im Nachhinein selbst konstatieren, falschgelegen zu haben. Diese Feststellung hat nun beim Thema PEPP, dem Paneuropäischen Privaten Pensionsprodukt, der Europäische Rechnungshof übernommen und darauf hingewiesen, dass die damit verbundenen Ziele sehr deutlich verfehlt wurden. Was waren seinerzeit die Hinweise der Praxis und welche davon finden sich in der Stellungnahme des Rechnungshofs wieder?
Ideologie und Intentionen des PEPP
Der Idee des PEPP liegen zwei im Wesentlichen richtige Annahmen zugrunde: 1. Die Bevölkerung der EU altert, und in fast allen Ländern zeichnen sich deshalb demografisch bedingte Probleme in den Alterssicherungssystemen ab. 2. Bürgerinnen und Bürger, die der Europäischen Idee folgend berufliche Tätigkeiten in mehreren EU-Ländern ausüben, können aufgebaute Altersvorsorgeanwartschaften nicht „mitnehmen“ (Portabilität), da die zugrunde liegenden Systeme und Angebote nicht harmonisiert sind. Dies führt im Einzelfall zu einem zersplitterten, nicht mehr überschaubaren Portfolio von Anwartschaf-ten. Prof. Dr. Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des DIVA Deutsches Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung, stellt deshalb fest: „Die Grundannahmen des PEPP sind richtig. Es fehlt aber der Unterbau. Und es ist mit vielen Webfehlern schlecht gemacht. So musste es scheitern.“
Verbreitungsgrad
Ein klares Indiz für das Scheitern ist der Verbreitungsgrad. Laut EU-Rechnungshof gibt es auf dem gesamten EU-Finanzmarkt derzeit nur ein einziges PEPP-Produkt. Und die-ses wird von weniger als 5.000 Sparerinnen und Sparern mit verwalteten Vermögens-werten von weniger als 12 Millionen Euro genutzt. Zum Vergleich: Allein in Deutschland gibt es über 80 Millionen Lebensversicherungen, davon knapp 16 Millionen Riester-Ver-träge. Es stellt sich die Frage, warum es quasi keine Anbieter gibt, warum die Idee des PEPP nicht aufgegriffen wird. Denn ohne entsprechende Angebote kann ein PEPP nicht reüssieren.
Divergierende Rahmenbedingungen in den EU-Staaten
Einer der Hauptgründe für das Scheitern dürften die völlig unterschiedlichen Rahmen-bedingungen für private und betriebliche Altersvorsorge in den EU-Staaten sein. So ist beispielsweise das Alterssicherungsniveau der gesetzlichen Rente höchst unterschied-lich. Ist das Versorgungsniveau hoch, hat ein PEPP von Anfang an weniger Bedeutung. Gleiches gilt für den Durchdringungsgrad mit betrieblicher und privater Altersvorsorge. „Warum sollte in Deutschland ein Anbieter mit hohem Kostenaufwand und geringen Ab-satzmöglichkeiten ein PEPP auflegen, wenn es bereits vielfältige Formen der staatlich geförderten privaten und betrieblichen Altersvorsorge gibt“, so Heuser. Auf der anderen Seite gibt es EU-Staaten, die nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, private und be-triebliche Altersvorsorge mit monetären Anreizen so wie andere zu fördern.
Deckelung der Kosten
Der aus Sicht der Praxis gravierendste Kritikpunkt war seinerzeit der Kostendeckel in Höhe von einem Prozent, der sich am Ende im europäischen Gesetz wiederfand. Dazu Oliver Mathais, Verbandsdirektor des Bundesverbands der Assekuranzführungskräfte e.V. (VGA): „Als wir von der Idee des PEPP und dem geplanten Kostendeckel erfuhren, haben wir gemeinsam mit allen anderen Verbänden der Finanzwirtschaft darauf hinge-wiesen, dass das nicht funktionieren wird. Schon bei klassischen Altersvorsorgeproduk-ten ohne Förderung ist ein solcher Deckel extrem sportlich. Das Beispiel Riester, das bei Erfindung des PEPP durchaus schon bekannt war, zeigt doch deutlich, dass bei staatlich geförderten Produkten ein solcher Deckel Utopie ist. Denn die Verwaltungskosten der Anbieter sind deutlich höher, und ohne Beratung gibt es keine Verbreitung. Diese muss angemessen vergütet werden, und das kostet nun mal Geld.“
Forderungen an die Politik
„In der EU ist davon zu hören, dass man mit dem PEPP einen zweiten Anlauf unterneh-men will. Wir sind gespannt darauf, ob die EU-Kommission und die EIOPA den Bericht des Rechnungshofes aufmerksam studieren. Nach unserer Auffassung müssten vor In-stallierung eines PEPP zunächst die Systeme der Alterssicherung harmonisiert werden, in die ein PEPP immer eingebunden ist. Ansonsten kann es gar nicht EU-weit funk-tionieren, und zumindest die Idee der Portabilität ist dann dahin“, sagt Heuser. Mathais ergänzt: „Was wir speziell in Deutschland brauchen, ist ganz sicher kein PEPP. Wir wür-den uns wünschen, dass im ersten Schritt für Portabilität in der betrieblichen Altersvor-sorge gesorgt wird. Die ist nicht gegeben, weil der Arbeitgeber den Durchführungsweg festlegt. Und in der privaten Altersvorsorge warten wir seit langem auf die Riester- Reform. Diese endlich – zusammen mit dem neuen Konzept der Frühstart-Rente - anzu-gehen, würde zumindest der Altersvorsorge in Deutschland einen mehrfach stärkeren Schub geben als ein PEPP.“
Das Deutsche Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) hat eine Stellungnahme zum Thema veröffentlicht. Sie ist als DIVA-Briefing 06/2025 „PEPP: Harsche Rüge für Kommission und EIOPA“ auf der Webseite des DIVA abrufbar: www.diva.de (Analysen --> Briefings). Der Bundesverband der Assekuranzführungskräfte VGA ist einer der Trägerverbände des DIVA.
Halten Sie sich gerne auch über unseren LinkedIn-Kanal auf dem Laufenden.
Downloads: