Aktueller Rentenstreit: Wie sieht es die Bevölkerung?
Hohe Zustimmungswerte für Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rente
Höherer Steuerzuschuss möglichst finanziert durch Einsparungen
Rentenniveau und Renteneintrittsalter für die meisten tabu
Frankfurt/Main, 19.11.2025. Im aktuellen Rentenstreit zwischen der Bundesregierung und der Jungen Union zeichnet sich (noch) kein Kompromiss ab. Zur Erinnerung: Die Junge Union reklamiert eine über den Koalitionsvertrag hinausgehende Verabredung der Bundesregierung, nach der das Rentenniveau auch über das Jahr 2031 hinaus mit 48 Prozent festgeschrieben werden soll. Gibt es hier keine Einigung, dürfte wohl das gesamte Rentenpaket einschließlich Frühstartrente und Riester-Reform scheitern. Ob dieses Paket dann zunächst erst einmal verschoben oder als nicht durchsetzbar ganz abgesagt wird, ist unklar. Fest steht: Der Reformdruck nimmt von Jahr zu Jahr zu.
Das Deutsche Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) wollte in diesem Kontext im Rahmen einer Befragung von 2.000 Bürgerinnen und Bürgern wissen, welche politischen Maßnahmen in der Bevölkerung mehrheitsfähig wären, um das demografiebedingt wachsende Finanzierungsdefizit aus dem Umlageverfahren der gesetzlichen Rente auszugleichen. Aufgrund der Vielzahl möglicher Maßnahmen hatte jeder Teilnehmer drei Antwortmöglichkeiten.
Früheres „Generationenkapital´“ mit größter Zustimmung
Erstaunlich ist, dass eine abgewandelte Form des am Ende nicht mehr umgesetzten Generationenkapitals der Ampelregierung die höchsten Zustimmungswerte erreichte. Denn immerhin 34 Prozent der Befragten sind dafür, dass staatliche Gelder in dreistelliger Milliardenhöhe an den Kapitalmärkten angelegt und die Erträge zur Teilfinanzierung der gesetzlichen Rente herangezogen werden. Offen bei der Antwortmöglichkeit blieb allerdings die durchaus erhebliche Frage, woher der hohe Geldbetrag denn kommen soll. Nichtdestotrotz: Im hohen Ergebnis kommt augenscheinlich zum Ausdruck, dass zwischenzeitlich in der Bevölkerung das Zutrauen in aktienbasierte Anlagen spürbar zugenommen hat und sich sogar auf die gesetzliche Rente erstreckt. Der halbjährlich vom DIVA ermittelte Geldanlage-Index (DIVAX-GA) zeigt dies deutlich.
Höherer Bundeszuschuss findet Zustimmung
Auf Platz 2 möglicher Maßnahmen kommt mit Werten zwischen 19,6 und 31,4 Prozent die Erhöhung des Steuerzuschusses. Dieser liegt zwar heute schon bei deutlich über 100 Milliarden Euro. Viele sehen aber darin offensichtlich kein größeres Problem. Die relativ große Bandbreite der Werte ergibt sich daraus, wie der höhere Bundeszuschuss gegenfinanziert werden soll. Am meisten Zustimmung findet mit 31,4 Prozent eine Finanzierung aus Einsparungen bei anderen staatlichen Ausgaben. 22,8 Prozent stimmen für eine Finanzierung aus zusätzlichen Staatsschulden. Und 19,6 Prozent befürworten Steuererhöhungen. Die Ergebnisse zeigen: Wenn es, wie bei Steuererhöhungen (und ggf. Erhöhungen des Beitragssatzes) direkt an den eigenen Geldbeutel gehen könnte, schwindet die Akzeptanz einer Maßnahme deutlich. Hingegen stößt eine Sozialisierung eher auf Zustimmung.
Aktivrente wird von knapp einem Drittel befürwortet
Eine Aktivrente, also das steuerbegünstige Arbeiten über das Renteneintrittsalter hinaus, befürworten 28,6 Prozent der Befragten. Die Effekte auf die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rente wären hier allerdings gering. Aus den Erwerbseinkommen würden zwar zusätzliche Beiträge ins Umlageverfahren fließen. Denen würden aber auf der anderen Seite höhere Rentenansprüche der Betroffenen gegenüberstehen. Unbenommen dessen würde sich naturgemäß die finanzielle Situation derjenigen, die die Aktivrente nutzen, im Einzelfall deutlich verbessern. Denn zusätzlich zum Einkommen würde ja auch schon die Altersrente gezahlt werden.
Zwei kleine „Fußnoten“ am Rande: der Begriff Aktivrente ist griffig, allerdings auch irreführend. Denn es handelt sich um Erwerbseinkommen, und nicht um Rentenzahlungen. Und im Einzelfall gäbe es kleinere positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt, indem besonders erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einem Betrieb länger zur Verfügung stehen.
Rentenniveau, Renteneintrittsalter und „Rente mit 63“ sind Schlusslichter
Am Ende der Befragungsergebnisse stehen die Abschaffung der abschlagsfreien Rente
(2 Jahre vor Regeleintrittsalter) mit 18,1 Prozent, die langfristige Absenkung des Rentenniveaus (15,9 Prozent) und die Erhöhung des Renteneintrittsalter über 67 Jahre hin-
aus (11,4 Prozent).
Dazu Prof. Dr. Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des DIVA: „Politik orientiert
sich an potentiellen Wählerstimmen und an Mehrheiten. Das Festhalten der Bundesregierung am Rentenniveau, am Renteneintrittsalter und an der abschlagsfreien Rente spiegelt insoweit exakt die Befragungsergebnisse wider, auch wenn die Abstände zu den anderen Maßnahmen nicht exorbitant groß sind. Die Bezeichnung „Reform“ hat das dann aber nicht verdient, wohl eher die eines „Weiter wie bisher“. Und dabei sind sich alle Fachleute und offensichtlich mit der Jungen Union auch eine ganze Reihe von Politikern einig, dass Reformen notwendig sind. Dass es ausgerechnet die jungen Politiker sind, die aufbegehren, liegt in der Natur der Sache. Denn die werden eines Tages das politische Erbe nicht einfach ausschlagen können, sondern am Ende diejenigen sein, die
der Bevölkerung mehr zumuten müssen, nicht nur, wenn es um die Rente geht.“
Die aktuelle Umfrage zum Deutschen Altersvorsorge-Index (DIVAX Altersvorsorge) wurde im Auftrag des DIVA im Oktober 2025 von INSA-CONSULERE durchgeführt. Befragt wurden ca. 2.000 Personen in Deutschland. Alle Ergebnisse sind auf der Website des DIVA zu finden.
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